Montag, 6. Oktober 2008

Wallfahrt nach Lujan: Die spinnen, die Argentinier

Gut, die Idee ist ja ganz süß. Als vor 34 Jahren die erste Lujan-Wallfahrt stattfand, hatte sie auch einen wirklich ernsten Hintergrund, nämlich soziale Unruhen, Wirtschaftskrise und überhaupt der schlechte Zustand des Landes. Da Lujan so etwas wie ein Nationalheiligtum ist, und Maria hier offenbar dafür zuständig ist, die Probleme des Vaterlandes zu seinen Gunsten zu regeln, ist es natürlich naheliegend sie in ihrem Heiligtum zu besuchen. Warum man dafür die 60km ab Liniers (ein anderes Heiligtum) zu Fuß gehen muss, konnte mir noch keiner erklären. Ich schätze mal, dass hat was mit Tradition zu tun. Oder mit Passionsfrömmigkeit, auf jeden Fall habe ich mich nach 12 Stunden Gewaltmarsch den Leiden Christi wirklich näher gefühlt. Und ich bin nur 40km gelaufen, und auch noch in ordentlichen Schuhen! (auch wenn ich leider sagen muss, dass ich von den super-hyper-lands-end-wandertretern ein bisschen enttäuscht bin, und daran, dass meine Füße sich anfühlen als würde jemand nen Flammenwerfer drunterhalten, konnten auch meine mega-krassen-Wandersocken leider nichts ändern). Naja. Beeindruckend war auf jeden Fall die Zahl der (nicht nur) Jugendlichen, die diese Tortur jedes Jahr auf sich nehmen. Marta und Silvia sagen, dass über das ganze Wochenende knapp 1,5 Millionen Menschen Lujan besuchen. Ich weiß nicht, wie viele ich davon gesehen habe. Nachts sind alle Argentinier grau. Mir sind allerdings einige Weltjugendtagsrucksäcke aufgefallen, mit deren Trägern ich dann einige Zeit gequatscht habe, und ihnen eine von diesen Papstmünzen geschenkt habe, von denen ich immer noch welche übrig habe *g* Meine Gruppe hatte ich natürlich immer schnell verloren, und nur kurz zu den Sammelpunkten wiedergesehen - und so war ich über jede Ablenkung froh, denn ansonsten kann man den Weg nach Lujan nur als eintönig bezeichnen: 40 km schnurgeradeaus, an der Bahntrasse entlang, die einzige Abwechslung sind wechselnde Grill-Getränke-Devotionalienstände am Wegesrand. Dann war es auch noch empfindlich kalt, da es ja noch Frühling ist, was einige Argentinier zu den erstaunlichsten Maßnahmen getrieben hat. Generell war aber die Leidensbereitschaft wirklich beeindruckend: Auf den letzten Kilometern haben sich viele Leute mehr geschleppt als sie gewandert sind, und die Straßen waren gesäumt von Pilgern, die nicht mehr konnten und einfach am Straßenrand lagen oder apathisch oder schlafend auf den Leitplanken hockend , manchmal notdürftig mit Decken zugedeckt, oft mit Kindern dabei. In der stoisch vorbeihumpelnden Masse kam ich mir oft eher vor wie in einem Flüchtlingstreck aus Ostpreußen als auf einer Pilgerfahrt. Gut, dass es viele Stationen des "cruce rojo argentina" am Wegesrand gab, und auch viele Gemeinden haben (sponsored by wal-mart) Pilgerstationen errichtet. Schönstattpriester segneten vorbeiziehende Pilger mit Weihwasser aus Plasikbechern, und auch sonst gab es viel Volksfrömmigkeit zum Anfassen:
Zum Beispiel große und kleine Marienstatuen am Wegesrand. Auch in der Basilika, in der ich dann pünktlich zum Schlusslied der Festmesse mit dem Kardinal von BA dann ankam (war wohl einfach zu langsam..), waren die Weihwasserbecken zugeschüttet mit Geschenken an Maria, und auch dieser Engel-Leuchter war über und über behängt mit Fürbitt-zetteln, Rosenkränzen und 5-Peso-Scheinen, so dass ab und zu Leute mit großen Pappkisten herumgingen und alles einsammelten... was wohl damit passiert? Noch mehr Müll? Die Pilger haben auf jeden Fall typisch-argentinisch eine breite Müllschneise hinterlassen, vor allem bestehend aus abertausenden Wal-Mart-Plastikbechern. Auch die Basilika wird wohl nach diesem Wochenende eine Generalreinigung nötig haben, denn auch sie wirkte eher wie ein Flüchtlingslager wie eine Basilika, und die Leute lagen kreuz und quer schlafend im Kirchenschiff herum, so dass die Pilger, die auf Knien durch die Kirche rutschten, fast gar nicht mehr durchkamen. Ich glaube das ist hier auch so ein Brauch, allerdings habe ich tatsächlich ernsthaft überlegt ihn zu adaptieren, weil meine Füße bei der Ankunft in der Basilika einfach höllisch wehtaten, und Knien dagegen wirklich die reinste Wohltat war. So macht Demut Freude. Demut war aber unterm Strich sicher nicht dass Ziel vieler Jugendlicher, die mitgelaufen sind. Mir schien das Ganze eher eine Art Vatertagswandern zu sein (viele Gruppen hatten auch tatsächlich Wagen mit lauter Musik und Verpflegung dabei), und regelmäßig wehten Wolken aus Marihuana-Rauch (sie wechselten sich mit dem Rauch der Grillfeuer ab) wie säkularer Weihrauch über den Weg. Trotzdem war in vielen Gesichtern auch eine tiefe Ernsthaftigkeit zu entdecken, und wirklich beeindruckend war auch die Zahl der älteren Leute, die diese Tortur noch auf sich nehmen. Denn Spaß, nein, so kann man das nicht nennen. Es ist eine Herausforderung, die wie jede gemeisterte Herausforderung ein schönes Erlebnis sein kann, und wenn der ein oder andere auf dem Weg auch noch ein bisschen ans Nachdenken kommt - umso besser. Am 8. Dezember ist wohl nochmal eine Wallfahrt, ich denke ich bin nochmal dabei.

4 Kommentare:

Home-Rade hat gesagt…

Hi Benni,

wie bist Du denn und die anderen Pilger wieder zurückgekommen? Auch zu Fuß oder mit der tollen Staatsbahn?
Papa

Unknown hat gesagt…

huhu, jetz hab ich auch mal gefunden, wo man hier was schreiben kann^^ ist zwar jetz nich zu deinem post sonder nur soo, hoffe das is nich schlimm... ich wollt mal hallo sagen und hören wies dir so geht und sagen das ich an dich denke und dich lieb hab:) ja das wars eigentlich schon, bis baaaald;) dein schwesterchen:-*

Benni hat gesagt…

Das ist hier keine Staatsbahn, wie ich im Exkurs "bahnfahren in BA" beschrieben hab, ist die privatisiert. Toll ist sie deswegen aber auch nicht.
Aber um auf die eigentliche Frage zu antworten: Nein und Ja. Wir haben einen schoenen bequemen Langstreckenbus bis Moreno genommen, und von dort den Zug bis Padua. Dort haben Franco, Flor und ich dann nach langem Ueberlegen beschlossen, nicht auch noch bis nach Hause laufen zu wollen, und uns ein Taxi genommen.

@Schwesterherz: Nein ist nicht schlimm. Im Gegenteil: Schoen von dir zu hoeren :) Bei dir alles im Lot? Kannst ja mal was aus deinem Leben erzaehlen, dann aber besser per Mail ;)

Home-Rade hat gesagt…

Ich glaube nicht das deine Beschwerden mit den Schuhen zusammenhingen, nach solch einem Gewaltmarsch finde ich das völlig normal. Als wir mal 30km Asphalt-weg im Münsterland gelaufen sind ging es mir ähnlich. Sind die Schuhe denn sonst o.k.?
Mum